Der moderne Fohlenkäufer
Auf Wunsch einer Züchterkollegin widme ich eine weitere Kolumne den modernen Fohlenkäufern 😊
Der moderne Fohlenkäufer ist häufig eher Interessent und Nichtkäufer. Zumindest stellen wir Züchter einen steigenden Anteil an diesen Zeiträubern bei den Anfragen fest. Bevor Empörung bei den echten Kaufinteressierten hochwallt, beschreiben wir das gerne genauer...
Der motivierte Züchter ist in der Regel von der Qualität seines Fohlens überzeugt. Wenn nicht, muss er trotzdem so tun - er möchte es ja gerne vermarkten. So erstellt er eine aus seiner Sicht möglichst attraktive Verkaufsanzeige, die heutzutage auf den gängigen Plattformen online gestellt wird. Die Anzeige kaum hochgeladen, geht es schon los- das vermeintliche Interesse lässt sich ja in Echtzeit prüfen. Wow, nach 10 Minuten bereits 45 Views und 14 x gemerkt, das muss ja ein Erfolg werden! War der Preis vielleicht zu günstig, bei so regem Interesse? Nach zwei, drei Stunden und steigenden Klickraten die erste Ernüchterung. Wo bleiben nur die Anfragen? Schriftlich, oder auch, sofern angegeben, telefonisch? Ach, da ist ja doch was im Postfach: User "Ich" fragt: Haben Sie ein Video? 01234-4567890. Keine Anrede, keine weiteren Fragen. Da, es trudeln gleich noch drei ähnliche Nachrichten ein, davon nahm sich einer die Zeit für "Guten Tag" und vollständige Sätze. Dem antworte ich doch mal zuerst.
Idealerweise habe ich sogar ein vorzeigbares Video (auf die Probleme bei der Erstellung bin ich in einem anderen Beitrag eingegangen). Wenn nicht, muss ich mich nun erklären, warum ich als Anbieter eines Fohlens zu unfähig bin, ein kurzes Video zu erstellen. Muss ja schließlich auch nicht professionell sein...😉
Ich verschicke also bestenfalls stolz mein gelungenes Video, schließlich bin ich auch ein moderner Fohlenverkäufer. Mehrere Rückfragen verschiedener Interessenten beantworte ich: Ja, das Video ist aktuell, von letzter Woche. Die Fotos auch. Ein Bild genau von vorne und genau von hinten? Das müsste ich erst machen, schaffe ich hoffentlich heute Abend. Regelmäßig entwurmt? Selbstverständlich wurde es bisher altersgerecht entwurmt. Schmiede- und Verladefromm? Hier wird die Luft schon dünner, schließlich ist es erst 6 Wochen alt. Was antwortet man am besten? Ich entscheide mich für die Wahrheit und schreibe, das hatten wir noch nicht. Aber das Fohlen ist sehr zutraulich und umgänglich, Hufe geben wurde auch schon geübt, ich erwarte keine Probleme. Ja, ein Halfter kennt es auch schon (eigentlich stand das schon in der Anzeige). 🤔 Nein, angebunden haben wir es noch nicht, auch noch keine Bodenarbeit durchgeführt. Inzwischen schon etwas erschöpft ob der vielen Tipperei deute ich in den fortgeschritteneren Chats an, man könne auch telefonieren? Dies wird schlicht übergangen, weitere ähnliche Fragen folgen. Die nächste Steigerung nun macht mich etwas ratlos: Ob es später rittig sei? Nun ja... geduldig antworte ich, der Vater sei mehrfacher Sieger in Dressurprüfungen und die Mutter hätte eine gute SLP und sei sehr rittig, so dass wir erwarten, dass auch das Zuchtprodukt später gut zu reiten sei. Etwas ketzerisch überlege ich, dass dafür natürlich auch ein talentierter Reiter nötig ist, schreibe das aber vorsichtshalber nicht. Nun erwarte ich zuversichtlich die Frage nach einem Besichtigungstermin. Es kommt allerdings nichts mehr. Am Folgetag traue ich mich nachzufragen, ob wir uns verabreden wollen. Die Antwort macht mich etwas fassungslos: Nein, man habe nochmal nachgedacht, aber die Farbe würde nicht gefallen, daher würde man von dem Fohlen doch Abstand nehmen. Ein anderer antwortet, der Preis sei zu hoch. Etwas verwirrt überlege ich, ob die Darstellung auf dem Bildschirm der Interessenten tageweise abweichend ist, denn Farbe und Preis ließen sich doch von Anfang an erkennen?
Dann, ein Lichtblick. Ein Interessent meldet sich telefonisch und möchte einen Besichtigungstermin, er sei morgen zufällig in der Gegend, ob es passen würde. Na also, es gibt sie doch noch! Flugs organisiere ich für den Termin einen Helfer und sage zu. Am Folgetag stehen wir, rechtzeitig und mit polierter Stute und Fohlen bereit. Alleine. Nicht anwesend ist der Interessent und telefonisch auch nicht mehr erreichbar.
Diese Erzählung soll an dieser Stelle enden, stellt es doch den modernen Standardverlauf dar. Einige "Interessenten" toppen diese Darstellung sogar, so dass das Frage-Antwort-doch kein Interesse-Spiel fast ad absurdum verläuft.
Natürlich gibt es auch noch den echten Interessenten, der in der Regel nicht so viel Firlefanz fragt und seinen Termin auch einhält. Aber das scheint eine zunehmend aussterbende Spezi im Flow der breiten Masse zu sein.
Für den normalen Züchter, der das alles eigentlich auch noch nebenbei ableisten muss, ist es wirklich schwer und sehr zeitaufwendig geworden, bei der heutigen Mentalität der Leute ein Fohlen adäquat zu verkaufen. Ich will nicht sagen, dass früher alles besser war, aber ich würde doch sagen, das manches irgendwie unkomplizierter war, als wir noch nicht im Vollrausch der anonymisierten Digitalisierung gelebt haben. Ich habe keine Lösung parat und will mich auch nicht gegen Modernisierung wehren. Ich möchte auch hier nur wieder das Bewusstsein der Fragesteller schärfen für die Situation, mit der ein Verkäufer umgehen muss, verbunden mit der Bitte, doch vorher zu überlegen, ob man wirklich Interesse an dem Fohlen hat oder nur "erstmal" plaudern will. Dafür gäbe es doch sicher andere, geeignete Plattformen....
Übrigens sind die abgebildeten Fohlen nicht verkäuflich 🤭